Cybermobbing ist mehr als nur Ärgern im Netz

9. März 2022

Studierende der Caritas-Fachakademie für Sozialpädagogik in Weiden erfahren Hintergründe von und Tipps zum Schutz vor Gefahren im Netz für Kinder und Jugendliche.

„Wie viele Kinder bzw. Jugendliche haben schon Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht? Jedes 2., jedes 3. oder jedes 5. Kind?“ Die Antwort: „Jedes 3. Kind.“ Dies erfuhren die Studierenden der Caritas-Fachakademie für Sozialpädagogik in Weiden zu Beginn des Vortrages zum Thema Cybermobbing von Maria Kahriger, ausgebildete Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin.

Nach dieser ersten erschreckenden Zahl ging es noch weiter: Jedes 4. der betroffenen Kinder hatte schon einmal Selbstmordgedanken, jedes 5. neigt später zu Missbrauch von Alkohol, Drogen oder Tabletten. 58 Prozent aller Zwölf- bis 19-Jährigen haben laut der JIM-Studien von 2021 schon einmal beleidigende Kommentare oder Hassbotschaften im Netz erhalten, bei den Zwölf- bis 13-Jährigen sind es sogar 81 Prozent.

Das besonders Schlimme an Cybermobbing ist, dass die Betroffenen oft rund um die Uhr Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen und anderen schädlichen Handlungen über das Internet ausgesetzt sind und diesen praktischen nicht entfliehen können, wie es auch der sehr bewegende Kurzfilm „Let´s fight it together“ aus dem Cybermobbing-Präventionsprogramm von klicksafe.de den Studierenden eindrücklich vermittelte. Im Anschluss an das Video stellte Kahriger die Frage, warum Joe, die Hauptfigur in der Rolle des Opfers, wohl mit niemandem über seine Situation gesprochen hätte. Genau dies ist im Zusammenhang mit Cybermobbing nämlich eines der gravierendsten Probleme. Die meisten Betroffenen haben Angst, dadurch noch mehr zum Opfer zu werden. Bei jüngeren Kindern spielt häufig aber auch die Angst, dass sie ihr Handy abgeben müssten, eine große Rolle – ein wichtiger Hinweis für alle Eltern, dass man Kindern nie zum Schutz vor solchen Gefahren mit dem Wegnehmen des Handys drohen sollte.

Neben Cybermobbing gibt es noch zahlreiche weitere Formen von Gewalt im Zusammenhang mit dem Internet wie beispielsweise auch das sogenannte Happy Slapping („fröhliches Schlagen“), bei dem körperliche Angriffe mitgefilmt und anschließend veröffentlicht werden. Ein sehr gravierendes und unterschätztes Problem ist außerdem Cybergrooming. Hier nehmen Erwachsene meist über Fake-Profile in sozialen Netzwerken Kontakt zu Kindern auf – mit dem letztendlichen Ziel eines sexuellen Kontakts.

Während bei Cybergroomig das Motiv klar auf der Hand liegt, stellt man sich bei Cybermobbing oder Happy Slapping die Frage, welche Gründe die Täter haben und wie sie ihre Opfer aussuchen. „Zum Opfer kann jeder werden. Der Grund liegt bei den Tätern. Meistens geht es diesen um Aufmerksamkeit oder Suche nach Anerkennung, aber auch Angst, Rache, Neid oder Konflikte können dahinterstecken“, erklärte die Referentin den Studierenden.

Aber nicht nur die Täter sind das Problem. Freunde oder Klassenkameraden werden oft zu Mitläufern und verstärken das Cybermobbing durch Likes, Kommentare und Weiterleitungen. Andere würden vielleicht gerne helfen, greifen aber nicht ein, da sie nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen und oft kommt die Angst dazu, selbst gemobbt zu werden. Denn auch das ist ein Phänomen von Cybermobbing: Jeder kann betroffen sein. Und in der Regel kommen die Opfer ohne Hilfe von außen nicht aus ihrer Situation heraus. Besonders wichtig, wenn man es mit Betroffenen zu tun hat, ist es deshalb, ihnen klarzumachen, dass sie selbst nicht „schuld“ an ihrer Situation sind.

Wichtig für Eltern bzw. Pädagogen ist es zunächst einmal, die Augen offen zu halten und zu wissen, womit sich die Kinder und Jugendlichen beschäftigen. Nicht nur die sozialen Netzwerke und Messenger-Dienste wie WhatsApp, Instagram, Facebook, Tiktok usw. sollte man kennen. So benutzen Kinder und Jugendliche zum Beispiel auch Yubo, einen Online-Dienst um Kontakte zu finden, ähnlich wie es bei Tinder für Erwachsene funktioniert. Offiziell darf man sich zwar erst ab 13 Jahren registrieren, aber eine echte Alterskontrolle gibt es hier nicht. Genauso ist es bei YouNow, einer Online-Plattform für Livestreams. Wer YouNow nutzen möchte, meldet sich mit seinen Facebook-, Gmail-, Apple,- oder Twitter-Kontodaten bei dem Dienst an. Dabei wird der Zugriff auf die E-Mail-Adresse und die Kontaktdaten verlangt.

Das Nutzen solcher Apps kann mit vielen weiteren Gefahren verknüpft sein. Die Anbieter besitzen sensible Daten der Nutzer, die Apps haben automatisch Zugriff auf das Gerät, die gespeicherten Kontakte, Bewegungen und Aufenthaltsorte der Personen. Die Kinder und Jugendlichen sind über diese und ähnliche Apps auch sehr leicht für Fakenews, pornografische Inhalte oder Gewaltvideos erreichbar und auch die Gefahr, dass Accounts und Passwörter gehackt werden, ist nicht zu unterschätzen.

Das Erste, was Eltern wissen sollten, ist, wie man durch gezielte Einstellungen präventiv den Gefahren vorbeugen kann: Ortungsdienste und das Senden von Standorten sollten unbedingt immer manuell deaktiviert, Privatsphäre-Einstellungen entsprechend vorgenommen und kontrolliert werden. Und natürlich sind sichere Passwörter das A und O. Das alles sollte unbedingt mit den Kindern besprochen werden. Auch digitale Familienregeln, die gemeinsam vereinbart werden, sind hilfreich, um einen verantwortungsvollen Umgang mit Online-Diensten anzubahnen. Kinder und Jugendliche müssen auf mögliche Gefahren vorbereitet werden, und wissen, wie sie im Ernstfall reagieren können. Allgemeine Tipps sind hier, nicht auf die Nachrichten zu reagieren, zunächst einmal nichts zu löschen und Nutzer nicht sofort zu blockieren, sondern Screen-Shots als Beweismaterial zu sichern. Betroffene sollten sich unbedingt schnellstmöglich jemandem anvertrauen und schwere Fälle sollten auf jeden Fall der Polizei gemeldet werden.

Sind die Beweise gesichert, können Täter blockiert werden. Um zu verhindern, dass verbreitete schädliche Inhalte im Netz bleiben, sollten die Anbieter außerdem aufgefordert werden, diese zu löschen. Der wichtigste Schutz ist aber immer noch der erste von den sieben Tipps, die Maria Kahriger zum Schutz vor Cybermobbing nennt: „Gib so wenig wie möglich von dir selbst im Netz preis.“

Hilfsangebote finden Kinder und Jugendliche auch bei den Online-Beratungsdiensten Juuuport e. V. und Jugend Support oder beim Kinder- und Jugendtelefon unter der Nummer 116111. Wichtige Informationen für Eltern und vielfältiges Material für Pädagogen bieten die Internetseiten www.schau-hin.info und www.klicksafe.de.

Zum Schluss hatte Maria Kahriger noch einige Anregungen für die angehenden Erzieherinnen und Erzieher, um Kinder und Jugendliche allgemein stark für das Netz zu machen.

Grundlegend ist die Arbeit mit und das Thematisieren von Emotionen. Dafür hilft zum Beispiel ein Gefühlskompass. Ein Medientagebuch ist hilfreich, um einen kritischen und reflektierten Umgang mit sozialen Netzwerken und Medien insgesamt zu lernen.

Grundsätzlich aber sei es wichtig, „die Welt der Kinder zu entdecken“. Man muss es schaffen, die Kinder und Jugendlichen spüren zu lassen, dass die echte Welt noch immer schöner ist, als die virtuelle Welt. Ein bedeutender Ausgleich zum sozialen Leben im Internet sind deshalb echte Begegnungen, echtes Kuscheln, das Draußensein, und vor allem: gemeinsame echte Abenteuer und Erlebnisse.

Text und Bilder: Barbara Neuber